1869 im böhmischen Asch in bürgerlichen Verhältnissen geboren, ging er schon bald weniger geordnete Wege: 1892 erschien Eduard Müllers erster Katalog für allerlei Schönheitsmittel, Gesundheitsartikel und Reiniger. Für die auf dem Katalog angegebene Handels- und Importfirma existiert keine nachweisliche Gewerbeanmeldung, angegebene Niederlassungen in aller Welt waren frei erfunden. Die „Briefkastenfirma“ war wohl eine „gut getarnte Waschanlage für das im Rotlichtmilieu erwirtschaftete Geld“, wie Dieter Arzberger, der Ortschronist der Stadt Selb in einem Essay die allgemeine Quellenlage auswertet. Auch in der bayrischen Stadt an der Grenze zu Böhmen hatte Eduard Müller mit Legenden umwobene Spuren hinterlassen, seine offizielle Händlertätigkeit vermischte sich um 1900 zunehmend mit dem Rotlichtgewerbe. Arzberger selbst hatte vor einigen Monaten auch in Klingenthal ausführlich recherchiert.
1910 lernte Eduard Müller einen gewissen Otto Meichsner aus Brunndöbra kennen. Der brachte Müller auf sehr freizügige Gedanken, denn Meichsner nannte sich „Privatier“ und betrieb in Asch ein gutgehendes Bordell. Als im frühen 20. Jahrhundert Kinos zu einem beliebten Vergnügen wurden, witterte auch Eduard Müller eine neue lohnenswerte Geschäftskombination: Eine offizielle sichere Einnahmequelle aus dem Kinokartenverkauf gepaart mit der Vorführung von Variéte und Erotik. 1918 kaufte Eduard Müller, der inzwischen bereits mehrere Kinos im Ascher und Selber Gebiet besaß, in der Graslitzer Straße Nr. 4 in Klingenthal von Vorbesitzer Heinz Pichler ein Kino. Und es folgten weitere in Brunndöbra und Sachsenberg. Wohl an den Markennamen „ODEON“ angelehnt, nannte Eduard Müller seine Kinos „EDION“. Doch auch in Klingenthal vertrieb Eduard Müller weiterhin offiziell „Müller`s Haarpomaden“, „Müller Moments-Anstrich“ – Malerfarben, Schokoladenpulver, medizinische Bandagen, Operationsbesteck und Hühneraugenpflaster, doch ist fraglich, ob der darin inbegriffene Versandhandel wirklich florierte.
Chronist Dieter Arzberger verfolgt eine ganz eigene These zu den zahlreichen klangvollen Annoncen: Regelmäßig bewarb Eduard Müller seine Produkte mit klangvollen Frauennamen. Ob diese dann schließlich in Person auch Variéte und weitere Dienste anboten, lässt sich heute nicht mehr nachweisen, doch spricht Einiges dafür: „Edi“ warb nicht nur allgemein für Kinovorführungen „für die ganze Familie“, sondern bot ab 10 Uhr abends auch „Nachtvorstellungen nur für Erwachsene“. Annoncen in Ausgaben der Klingenthaler Zeitung beweisen dies. Mehrfach war e“Edi“ in kleinere Kriminalfälle und Verwaltungsrechtsangelegenheiten verwickelt, welche mit Bordellbesitzern, „Tänzerinnen“ und „Privatiers“ in Verbindung standen.
Ganz privat hatte Eduard Müller am 28. April 1892 eine Julie Klara Eichler aus Plauen geheiratet, damals bereits hochschwanger mit dem ersten gemeinsamen Kind. Aus der Ehe gingen insgesamt 8 Kinder hervor. Was seinen Wohnsitz anbelangt, blieb „Edi“ unstet: Mal wohnhaft in Asch, Wildenau bei Selb und in Klingenthal, wechselte er mehrfach seine offizielle Adresse. Doch scheint er sich zum Ende seines Lebens hin besonders häufig und lange auch in Klingenthal heimisch gefühlt zu haben. Gestorben ist Eduard Müller in Klingenthal, begraben ist er da, wo er geboren wurde, in Asch. Seine jüngste Tochter Elvira führte nach dem Tod ihres Vaters 1937 das Drogerie- und Kinounternehmen weiter und starb in den 1970er Jahren in Klingenthal. Eduard Müller hatte noch zu Lebzeiten seine eigene Todesanzeige verfasst und darin stand auch die Aufforderung „Vergesst mir meine Elvira nicht!“.
Ob Eduard Müller, genannt „Edi“ ein Familienmensch und kluger Kaufmann oder eher ein windiger Geschäftsmann mit sonderbarem Geschmack war? Die Archivalien aus dem Karton im Musik- und Wintersportmuseum zeigen alle Facetten und bewahren nicht nur die Erinnerung an ein „Original“, sondern auch ein Stück Stadt(kino)geschichte.(XB)
Eines der „EDION“-Kinos befand sich in der Graslitzer Straße. Der Slogan „Stets das Neueste“ bezog sich wohl nicht nur auf das eigentliche Kinoprogramm, welches im Gebäude gegenüber lief. (Postkarte 1918, Musik- und Wintersportmuseum)
Warum ALMA-Hühneraugenpflaster von einer barbusigen Schönheit beworben wurde bleibt nur zu vermuten. Solche Werbetafeln waren an den offiziellen Verkaufsstellen angebracht.
Portrait des lebenslustigen Eduard „Edi“ Müller aus der Klingenthaler Zeitung im Jahr 1925.
Auch die berühmte Nackttänzerin Anita Berber soll bei „Edi“ zu Gast gewesen sein. Von ihr fertigte die Porzellanmanufaktur Rosenthal aus Selb zahlreiche Porzellanfiguren.